Stuttgarter Zeitung: Querschüsse von der Grünen Jugend
Stuttgarter Zeitung vom Mittwoch, 11.11.2015 | #lmvgjbw
Querschüsse von der Grünen Jugend
Parteien | Wie Kretschmann mit dem Vorstoß des Nachwuchses umgeht, das Gymnasium abzuschaffen.
Von Andreas Müller
Nirgendwo wird der Unterschied zwischen Grünen und CDU so deutlich wie bei deren Jugendorganisationen. Offiziell verstehen sich zwar beide als Korrektiv ihrer Mutterparteien. Doch in Wahlkampfzeiten bleibt bei der Jungen Union (JU) davon nicht mehr viel übrig, sie gilt als wichtigste Unterstützertruppe von Spitzenkandidat Guido Wolf.
Ganz anders verhält es sich bei der Grünen Jugend Baden-Württemberg (GJBW). Bei ihrer Mitgliederversammlung am Wochenende beschäftigte sie sich allen Ernstes mit einem Antrag, keinen Wahlkampf für die Grünen zu machen. 80 Prozent der Mitglieder, wurde am Dienstag mitgeteilt, hätten den Vorstoß abgelehnt. Damit starte man mit einem ‚eindeutigen basisdemokratischen Beschluss‘ in den Wahlkampf. Im Großen und Ganzen sei man nämlich sehr zufrieden mit der Arbeit der Landesregierung, lobte die Co-Landessprecherin Lena Schwelling. In viereinhalb Jahren sei Baden-Württemberg ’nachhaltiger, bunter und weltoffener‘ geworden.
Der Spitzenkandidat der Grünen, Ministerpräsident Winfried Kretschmann, kann also aufatmen. Zwar entfaltet die Parteijugend nicht die gleiche Kampagnenkraft wie die zehnmal größere JU, aber es wäre ein schwieriges Signal gewesen, wenn die Youngster auf Distanz gegangen wären. Vor Querschüssen des Nachwuchses ist Kretschmann gleichwohl nicht gefeit. Der jüngste traf die Grünen an einer empfindlichen Stelle. Man wolle ‚wirklich eine Schule für alle‘, was langfristig auf die Abschaffung des Gymnasiums hinauslaufe, hatte die Co-Sprecherin bestätigt. Ein entsprechender Antrag solle beim Parteitag eingebracht werden. Dankbar griff die Opposition die Vorlage auf. Tenor: die Jugend spreche aus, was die Mutterpartei insgeheim plane. Am Dienstag zog Kretschmann alle Register, um den Verdacht aus der Welt zu schaffen. Er gab vor der Presse eine Bestandsgarantie fürs Gymnasium ab. ‚Klipp und klar‘ sei da die Position der Regierung, das Erfolgsmodell werde nicht angetastet. ‚Solange ich Ministerpräsident bin, wird das Gymnasium nicht geschleift, sonder gestärkt‘, beschwor er. Anderslautende ‚Überlegungen der Grünen Jugend‘ spielten für die Regierungsarbeit keine Rolle.